Sonntag, 15. September 2013

Zwiebelsuppe in Paris



Kerstin und Oliver aus Duisburg haben im schicken "Café Beaubourg" Aperitif getrunken. Das Café Beaubourg liegt wirklich gut, gleich gegenüber des Centre Pompidou. Der ideale Ort, um zu sehen und um gesehen zu werden!
Kerstin fragt mich, ob ich das Café kenne. In diesem Café habe ich früher öfters Zwiebelsuppe gegessen.

Das schicke Café Beaubourg sah vor fünfzig Jahren ganz anders aus. Das Centre Pompidou war noch nicht gebaut worden, und vor dem Café konnte man auf einem riesigen Parkplatz leicht parken. Zahlreiche Lastkraftwagenfahrer schliefen im LKW. Sie hatten Obst, Gemüse oder Fleisch aus der Provinz geholt und in die Halles geliefert. Zu jener Zeit war les Halles kein Einkaufszentrum, sondern ein riesiger Grossmarkt im Zentrum von Paris.
Die Zwiebelsuppe war ein wichtiges Ritual : Die Arbeiter, die sehr hart in der Nacht gearbeitet hatten, mochten diese preiswerte und herzhafte Suppe. Aber auch Touristen, die in Paris by night gefeiert hatten, besuchten die Lokale in diesem Viertel und assen "la soupe à l'oignon".
Das Lokal war viel bescheidener als heute und die Soupe à l'oignon billig : 400 Francs ("alte" Francs, heute 60 Cents).
Die Soupe à l'oignon ist auch noch heute ein wichtiges Ritual bei Familienfeiern.
Das Essen dauert sehr lange, es wird getanzt, und in der frühen Morgenstunden wird die "soupe à l'oignon" gegessen. Dann fahren die Gäste nach Hause...





Montag, 17. Juni 2013

Lutetia, ein Mythos?

Nach einem langen Weg stehen Astérix und Obélix vor Lutetia
Aus "Axtérix et Obélix", Seite 5



Lutetia und die Ile de la Cité, ein Mythos?



Christine aus Eschweiler ist nicht einverstanden: ich habe ihr erzählt, dass Paris mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht als "Lutetia" auf der Ile de la Cité entstanden ist. Christine zeigt mir ihren ADAC-Reiseführer über Paris, Seite 12 : « 3. Jh. vor Ch. : der keltische Stamm der Parisii siedelt auf der Ile de la Cité. »

Erst vor kurzer Zeit wissen die Historiker, dass es nicht stimmt.

Ein "Lutetia" gab es tatsächlich 300 Jahren vor Ch. Der Name Lutetia wird für das Jahr 53. v. Chr. zum ersten Mal vom römischen General und späteren Kaiser Caesar  genannt. Das Werk heisst « De bello gallico ». Ich habe es in der achten Klasse im Fach Latein behandelt. Wahrscheinlich wird dieses Werk von Ceasar auch von den deutschen Schülern im Lateinunterricht gelesen. Dieses Werk erzählt vom Eroberungskrieg Caesars in Gallien. Caesar hat Lutetia beschrieben : Lutetia lag auf einer Insel und war der Hauptort des keltischen Stammes der Parisii. Der Name « Parisii » gab übrigens den Namen « Paris ».
Die Beschreibung Ceesars war sehr ungenau. Er war nicht selber dabei, als die Gallier besiegt wurden. Sein Leutnant Labienus hat den Krieg geführt.
Früher waren Historiker sicher : Die « Ile de la Cité » ist die Urzelle von Paris.
Die zwei wichtigsten Gründe, diese Theorie in Frage zu stellen, sind folgende.

1/ Die Ile de la Cité war um 6 Meter niedriger als heute und Lutetia wäre sehr oft überflutet worden.
2/ Es gibt fast keine archäologische Reste aus der vorrömischen Zeit.

Der Standort der gallischen « Lutetia » bleibt bis heute ungewiss. Einige Historiker erwähnen das heutige Nanterre (westlich von Paris).
Die Historiker konnten aber nicht mit Bestimmtheit sagen, ob diese Annahme richtig ist.
Eine andere Frage bleibt auch offen : Nach der Eroberung Galliens  (also nach 52. vor Ch.) entwickelte sich die römisch-gallische Stadt, die Anfang des vierten Jahrhunderts "Paris" genannt wurde. Diese Stadt trug auch den Namen Lutetia bis 310.  Heisst das, dass die ehemaligen Bewohner das alte zerstörte Lutetia verliessen und sich später in dem "neuen" Lutetia eingerichtet haben ? Es gab also vermutlich die verschwundene "Altstadt" und die "Neustadt".

Lutetia
Aus "Les Lauriers de César"


Für Asterix und Obelix gab es aber keine Zweifel : die Stadt auf der Ile de la Cité war Lutetia ! 

Samstag, 15. Juni 2013

Die Pariser und die Gesundheit

pharmacie Centre Mutualiste Réné Laborie, rue Palestro Paris 2ème
Foto : Régis G.
pharmacie Centre Mutualiste Réné Laborie, rue Palestro Paris 2ème
Foto : Régis G.

Ist das wirklich eine Apotheke ?

Ein Eisbär am Schaufenster? Ist dieses Geschäft wirklich eine Apotheke? Bernd, mein Gast aus Hamburg, hat über dieses Schaufenster sehr gestaunt.


Wir stehen vor der Apotheke "René Laborie"in der Rue Palestro (2. arrondissement). Wie jedes Jahr können die Passanten die Adventsdekoration bewundern :
Luxuriöse Parfümfläschchen und Eisbären aus Plusch.

In Hamburg, Dresden oder Stuttgart gibt es bestimmt keine Adventsdekoration dieser Art in den Apotheken.
Wie jeder weiss, Adventszeit ist Schnupfenzeit. Die Patienten sollen informiert werden.  In Hamburg, München oder in den kleinsten Städten hängen in den Schaufenstern grosse Tafeln. Diese Tafeln erklären, warum NASIVIN die beste Medizin gegen Schnupfen sein solle : NASIVIN schont die Abwehrkräfte, NASIVIN ist ein pflanzliches Mittel. Die grüne Farbe signalisiert : « Ich wirke, aber sanft ».

Ein ähnliches Medikament gegen Schnupfen gibt es auch bei uns, HUMEX. Ganz andere Farben : Blau, Rot, Weiss und Gelb. Rot signalisiert : »Ich bin stark, ich wirke schnell ». Die Kombination « blau, weiss, rot » erinnert auch an die Trikolore : ich bin also ein französisches Arzneimittel. Und ich wirke nicht nur tagsüber, sondern auch während der Nacht...
Aber HUMEX ist doch kein Ausstellungsobjekt! Im Schaufenster können Sie die Parfümflaschen und den Eisbären bewundern. Wenn Sie einen Schnupfen haben, brauchen Sie keine langen Erklärungen. Sie brauchen einen Fachmann. Sie treten in die Apotheke ein. Hinter der Ladentheke steht der Apotheker : er trägt einen weissen Kittel mit einem kleinen Äskulappstab am Revers. Als Autoritätsperson und Fachmann weiss er, was gut gegen Ihren Schnupfen ist. Der Apotheke holt eine Packung HUMEX aus dem Regal : « Das ist das Richtige für Sie ». Wer käme da auf die Idee, weitere Fragen zu stellen ? Die Packung wird gekauft. Sie verlassen die Apotheke und freuen sich, so einen kompetenten Apotheker getroffen zu haben...

Unvorstellbar in Deutschland.  In den deutschen Apotheken gibt der Apotheker lange Erklärungen, manchmal wird er vom Kunden widersprochen. Es kann sogar vorkommen, dass ein Rezept des Arztes besprochen und kritisiert wird. Wenn der Patient nach diesen langen Fachgespräche seine Packung gegen Schnupfen das Geschäft verlässt, kann er noch einen Blick in die Schaufenster werfen : sie sind voll von Plakaten und Tafeln, die alle möglichen technischen Informationen vermitteln.
In Paris braucht der Patient diese Informationen nicht.
Dort ist das Vertrauen in die Macht der modernen Medizin ungebrochen. Übrigens eine Übersetzung für das Wort «Schulmedizin» gibt es nicht. Dafür wird ziemlich argwöhnisch von den «Médecines parallèles» (Parallelmedizinen) gesprochen. der Patient erwartet vom Arzt, dass er als selbstsichere technische Fachperson auftritt. Das schafft Vertrauen. Und vom Apotheker erwartet der Patient dasselbe Auftreten. Er braucht keine Erklärungstafel im Schaufenster : der Apotheker weiss Bescheid und der Patient hat Vertrauen. Sein Arzt und der Apotheker der Rue Palestro im 2. Arrondissement sind für seine Gesundheit zuständig. Also kann sich der Patient über den Eisbären und die Parfümfläschchen am Schaufenster freuen. 


Mittwoch, 12. Juni 2013

Schule oder Kaserne ?

Collège César Frank, 7 rue de la Jussienne, Paris 2ème
Foto: Régis G.

Warum hängt eine trikolore  Fahne an den Fassaden der Schulen ?

Sandra und Michael kommen aus Welzheim in Baden-Württemberg. Sandra staunt über die Fahne an der Schule. "Noch nie habe ich eine solche Schule gesehen, sie sieht aus wie eine Kaserne!"



Die Franzosen haben eine ganz andere Vorstellung. 
Diese Fahne sendet ein wichtiges Signal : Sie zeigt, dass die Schule ihren Auftrag im Namen der französischen Republik erfüllt. Die Schule vermittelt die Werte dieser Republik, und der Spruch "Liberté, Egalité, Fraternité" ist auch an der Fassade zu lesen.

Nach 1905 wurden diese Fahnen gehängt. Anfang des 20. Jahrhunderts fand in Frankreich ein Kampf für den Laizismus statt, der 1802 bis 1805 zu den «lois Combe » (Combes-Gesetzte) führte.
Der Laizismus bedeutet die Trennung zwischen dem Staat und der Religion.
Anfang des 20. Jahrhunderts bekämpften sich die Konservativen und die Anhänger der Republik. Die einen wollten wieder einen König, und die anderen wollten die Republik behalten.
Die Kirche stand auf der Seite der Monarchisten. Mit dem Laizismus sollte den klerikalen Kräften das Wasser abgegraben werden.
Emile Combe, der damalige Premierminister, verfasste diese Laizimus-Gesetze.
Die Kirche sollte keinen Einfluss mehr auf die Schulkinder ausüben können.
Aus jener Zeit stammt der Spitzname für die Grundschullehrer «Les Hussards noirs de la République». Die Hussarts waren ungarische berittene Soldaten. Die Grundschullehrer sollten als "Hussarts" einen Kampf gegen Kirche und Monarchie führen. Noch heute wird dieser Ausdruck  « Hussards noirs de la République » benutzt, wenn er auch heute eher humoristisch klingt.
Die katholische Kirche hat gegen den Laizismus Widerstand geleistet. Die Regierung musste einen Rückzieher machen: Die kirchlichen Schulen durften als Privatschulen weiter bestehen. Sie bekommen bis heute staatliche Subventionen.
Bis jetzt wurde nur en den öffentlichen Schulen eine Fahne gehängt.
Am 22. Mai 2013 hat das Senat eine Gesetzesänderung gebilligt. Jetzt ist das Anbringen einer Fahne an allen öffentlichen und allen vom Staat subventionierten Privatschulen obligatorisch.